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NEWSLETTER 27.2. 2024

Zusammenarbeit – der Schlüssel zum Erfolg

Zusammenarbeit – der Schlüssel zum Erfolg

(VL) Mittelgrosse Seen, Weiher oder kleinere stehende Gewässer haben es in landwirtschaftlichen Gebieten schwer. Überdüngung, Eutrophierung und fehlende Artenvielfalt sind auf Grund der hohen Gülleeinträge schon fast normal. Auch der Bellacher Weiher im Kanton Solothurn machte bis vor kurzem davon keine Ausnahme. Heute nun weist das Gewässer nicht nur klares Wasser, sondern auch eine standortgerechte Artenvielfalt auf - und das inmitten einer produzierenden Landwirtschaft. Die Lösung der Probleme, zu der alle ihren Teil beigetragen haben, war möglich dank dem gemeinsamen Vorgehen von Landbesitzerfamilie, Landwirtschaft, Gemeinde und Wissenschaft.

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«Das war einfach nur ein Unterwasserurwald», beschreibt Adrian Nufer den Bellacher Weiher, wie er ihn vor zwanzig Jahren das erste Mal gesehen hat. Der Naturwissenschaftler wurde damals zu Hilfe geholt, weil es dem Gewässer schlecht ging. Wie viele andere Weiher in landwirtschaftlichen Gebieten litt der Weiher unter einem zu hohen Nährstoffgehalt und einer dementsprechend zu starken Algenproduktion. Durch den Abbau der Grünmasse wurde der Sauerstoffgehalt des Sees im Laufe der Jahre aufgezehrt, bis fast kein Sauerstoff mehr vorhanden war und sich das nicht abgebaute organische Material als Schlamm ablagerte. Es setzte ein verhängnisvoller Kreislauf ein: Immer mehr Nährstoffe im Wasser, immer stärkere Algenproduktion, immer weniger Sauerstoff, immer dicker werdende Schlammschicht, die jedes Leben von Wasserorganismen verunmöglichte.

Eine sanfte Methode wird gesucht

Dieser Verlandung mochte Familie Stöckli, Eigentümerin des Weihers, nicht mehr zusehen und suchte nach Lösungen. Die bis dahin gängige Methode des Ausbaggerns von Schlamm mittels schwerer Maschinen, war der Familie jedoch ein zu radikaler Eingriff, und sie suchten nach sanfteren Strategien. Strategien, die nicht nur Symptome bekämpfen, sondern bei den Ursachen ansetzen. In Eigenregie begannen sie eine sanfte Sanierung ihres Weihers und zogen später das auf Pilotprojekte spezialisierte Umweltbüro von Adrian Nufer hinzu. Das war im Jahr 2004.

Zwanzig Jahre später präsentiert Adrian Nufer, der als Projektleiter das Projekt auch wissenschaftlich begleitete, das Resultat der «sanften Weihersanierung» im Bellacher Gemeindesaal der Öffentlichkeit. Er ist stolz auf das Ergebnis des nun 20-jährigen Projektes und spricht von einer «Seesanierung, mit welcher ein vorindustrieller Zustand des Weihers wieder hergestellt werden konnte». Er meint damit tiefblaues Wasser durch alle Schichten, eine durchgehend freie Wasseroberfläche und das Vorhandensein von Kleinlebewesen am Weihergrund, die nur in einem sauerstoffreichen Milieu vorkommen. Anwesend am Informations-Anlass sind neben der Familie Stöckli und Vertreter:innen der umliegenden Gemeinden mehr als ein Dutzend Landwirte, deren Felder im Einzugsgebiet des Weihers liegen. Sie alle haben ihren Beitrag geleistet, der zum Erfolg des Projektes geführt hat.

Ein kleines Pulver, eine grosser Anwenderkreis

Die Methode der sanften Weiher Sanierung beruht auf dem Ausbringen eines Pulvers, das zur Unterwasserkompostierung anregt. Das auf Quarzmehl basierende Pulver steigert das Vorhandensein von Sauerstoff in der Schlammschicht und fördert damit deren Abbau. Es braucht dafür keine grossen Maschinen, die radikal in den Weiher eingreifen. Von Ruderbooten aus wird das Pulver mehrmals jährlich von Hand ausgebracht. Unter Nufers Begleitung und finanziert vom Kanton Solothurn und dem Alpiq Ökofonds sowie der Gemeinde Bellach wurden Daten gesammelt und in Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen HAFL Zollikofen und ZHAW Wädenswil wissenschaftlich ausgewertet. Relativ schnell war ein Abbau der Schlammschicht feststellbar, doch das Algenproblem schien ungelöst. So entschied Nufer, dass nicht nur am Seegrund, wo das anaerobe Milieu herrscht, angesetzt werden sollte, sondern auch dort, wo die Nährstoffe herkommen - nämlich im ganzen Einzugsgebiet des Weihers. Die 160 ha Fläche erstreckt sich über die drei Gemeinden Bellach, Selzach und Lommiswil. 100 ha davon werden von 18 Landwirten bewirtschaftet. Sie alle galt es für ein erfolgreiches Projekt, ins Boot zu holen und so wurde 2010 ein Landwirtschaftsprogramm der Weihersanierung eröffnet. Die Finanzierung des Landwirtschaftsprogrammes von jährlich 20’000 Franken wurde über die drei Gemeinden verteilt und zu Nufers Freude waren nach persönlichen Gesprächen auf den Höfen alle 18 Betriebe bereit, am Projekt teilzunehmen und sind bis heute dabeigeblieben. «Vierzehn Jahre ist eine lange Zeit. Auch wenn teils Bauernhöfe bereits von der nächsten Generation geführt werden, ist niemand aus dem Projekt ausgestiegen», so Nufer.


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Abb. 1 Einzugsgebiet des Bellacher Weihers mit Landwirten (Grafik David Horisberger)

Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Die Aufgabe der Landwirte ist simpel: ein ähnliches Produkt, wie dasjenige, das im Weiher ausgebracht wird, sollen sie bereits auf ihrem Betrieb einsetzen. In der Gülle, auf dem Mist oder über die Einstreu, auf dem Grünland und auf dem Ackerboden werden Produkte auf Melassebasis* ausgebracht. Dadurch werden Gülle und Mist bereits vor dem Ausbringen auf die Felder kompostiert. Die Nährstoffe gelangen nicht wie üblicherweise in Form von auswaschbaren Salzen auf die Felder, sondern bleiben als grössere, organische Moleküle dort im Boden, wo sie ausgebracht worden sind. So sind sie verfügbar für Bodenlebewesen und die Pflanzen, anstatt mit jedem Regen ausgewaschen zu werden und im Weiher zu landen. Wie oft und zu welchem Zeitpunkt die Bauern ihre Felder zu düngen haben, war den Landwirten nicht vorgegeben. Sie verpflichteten sich einzig dazu, die speziellen Produkte* gemäss Gebrauchsanweisung einzusetzen. Da mehr Nährstoffe im Boden verblieben, konnten einige Landwirte eine bessere Nährstoffversorgung ihrer Böden feststellen und in Absprache mit der Düngeberatung der landwirtschaftlichen Schule Wallierhof die Düngung reduzieren. «Bei uns gibt es wenig Vorschriften», sagt Nufer, und ist sich sicher, dass die Eigenermächtigung aller Beteiligten ein Hauptfaktor für das Gelingen des Projekts ist. Das Vertrauen in alle Mitwirkenden, das Ernstnehmen der Anliegen verschiedenster Akteure, ein regelmässiger Austausch in jährlichen Projektvorträgen und Exkursionen, die Möglichkeit, seine eigene Meinung mitzuteilen: «Das ist der Schlüssel für eine gute Zusammenarbeit», so Nufer. Auch der Weiherbesitzer Stöckli bedankt sich nach Nufers Präsentation für den Beitrag aller Beteiligten und ist sich sicher, dass sein Weiher nur dank einer so guten Zusammenarbeit von Gemeinde, Landwirtschaft und Wissenschaft, erfolgreich saniert werden konnte.

Die Rolle der Gemeinde

Die Kosten von insgesamt 350’000 Franken des zwanzigjährigen Projektes wurden mehrheitlich von den drei Gemeinden übernommen. Das mag erstaunen, doch Lea Schluep, Gemeindepräsidentin der Gemeinde Bellach, argumentiert die Übernahme damit, dass Kosten von herkömmlichen Methoden wie dem Ausbaggern des kantonalen Schutzgebietes auch zu Lasten der Gemeinde gefallen wären. Diese wären vermutlich noch viel höher gelegen– und hätten erst noch einfach nur ein Aufschieben bewirkt, bis das Problem des überdüngten Weihers wieder aufgetreten wäre. Schluep ist zufrieden mit der gewählten Methode und verweist auf die vielen positiven Beiträge in den sozialen Medien, in denen der sanierte Weiher mittlerweile regelmässig erwähnt wird: «Auch wir haben ein grosses Interesse daran, dass unser Weiher als Erholungsgebiet erhalten bleibt.» Sie betont aber auch, dass zwanzig Jahre eine lange Zeit ist und es nötig war, dass das Projekt über die Amtszeit verschiedener Gemeindepräsident:innen durchgetragen werden musste. «Hätte einer meiner Vorgänger die Sanierung auf diese Weise nicht gutgeheissen, wäre dies das Ende für das Projekt gewesen.», so Schluep. Dass der Erfolg eines solches Projektes auf der Teilnahme aller Beteiligten basiert, ist ihr voll bewusst , und sie bedankt sich nach Nufers Präsentation mit einer Einladung in den nebenangelegenen Gasthof bei allen Anwesenden.

«Sanierung wie es im Bilderbuch steht und keine zweite gibt»

Der Bellacher Weiher ist laut Nufer das einzige Gewässer weltweit, welches mithilfe katalysierender Produkte* und in Zusammenarbeit mit der umliegenden Landwirtschaft erfolgreich saniert wurde. Eine ähnliche Sanierung wurde beim Heidsee in der Lenzerheide durchgeführt, dort jedoch ohne die Mitarbeit der Landwirtschaft. Weshalb die Methode bis anhin nur im Solothurnischen angewendet wurde und nicht auf andere Gewässer in landwirtschaftlichen Gebieten ausgeweitet wird, begründen einige Kantone auf Anfrage Nufers jeweils damit, weil die wissenschaftliche Wirkung der Methode bis anhin noch nicht vollumfänglich erklärt werden könne. Mit dem Projekt des Bellacher Weihers wurden jedoch wichtige Daten gesammelt, die eine Stossrichtung einer neuen Methodik zeigen könnten. Laut Nufer ist für eine zielbringende Realisierung eines weiteren Projektes nicht nur die wissenschaftliche Begleitung des Projektes nötig, sondern insbesondere auch eine lokale Trägerschaft, die sich für das Projekt stark macht und alle Beteiligten an einen Tisch bringt. Und Beharrungsvermögen und einen langen Atem mitbringt.

* Die für die Sanierung des Bellacher Weihers verwendeten Produkte sind vom FiBL zugelassene Betriebsmittel für den biologischen Landbau in der Schweiz.